Ämter und Dienste am Anfang der Kirche
(Fassung v. 29.06.2020)
Einheit von Lukasevangelium und Apostelgeschichte
Schon viele haben es unternommen, über den Ursprung der Diakone und anderer kirchlicher Dienste und Ämter zu schreiben. So sei es auch mir gestattet, meine Auffassung dazu darzulegen.
Wenn man mit dem Apostel Paulus die Anschauung teilt, dass die Kirche der Leib Christi ist und Jesus das Haupt des Leibes (sh. Eph 1,22; Kol 1,18), dann hat die Kirche bereits schon mit dem „irdischen“ Jesus (als Jesus noch in seinem irdischen Leib
unterwegs war) ihren Anfang genommen und nicht erst nach Christi Himmelfahrt (Jesus, als das Haupt der Kirche und seine Anhänger als der Leib der Kirche). Ist es daher korrekt, kirchliche Dienste und Ämter erst von Christi Himmelfahrt an zu betrachten und die Vorgaben des irdischen Jesus, wie sie durch die Evangelien überliefert worden sind, nicht zu berücksichtigen?
Wie kein anderer Evangelist begleitet Lukas die Kirche von ihrem Ursprung an (sh. Lk 1,26 ff).
Und wenn man der Ansicht ist, dass Lukas auch der Verfasser der Apostelgeschichte ist (wovon die Wissenschaftler seit geraumer Zeit ausgehen), dann muss man bei Betrachtung seines Evangeliums (das Lukasevangelium) auch die Apostelgeschichte mit heranziehen. Die Apostelgeschichte knüpft gewissermaßen an das Lukasevangelium an.
Mitarbeitergruppen Jesu vor dessen Himmelfahrt
Während Markus und Matthäus sich hauptsächlich auf die Tätigkeit der Apostel konzentrieren berichtet Lukas nicht nur von den Zwölf sondern auch von den 72 anderen Jüngern des Herrn (sh. Lk 10,1 f; 10,17 f; 24,9 f; 25,33 f). Er erwähnt sogar, dass Frauen im Gefolge Jesu waren. Das Lukas-Evangelium liefert somit die ergiebigste Mitteilung über die Jüngerschaft Jesu.
Jesus Christus, das Haupt der Kirche, hat also zunächst
die zwölf Apostel (sh. Lk 6,12 –16)und dann auch noch
72 andere Jünger (sh. Lk 10,1 ff)
erwählt.
Jesus, der Herr, hat somit zwei Gruppen von Mitarbeitern erwählt, die auch unabhängig voneinander arbeiteten und vom Haupt der Kirche, Jesus Christus, beauftragt und geführt worden sind (Lk 10,1-2;17).
Die Aufgaben und Vollmachten der beiden Mitarbeitergruppen waren zunächst einander sehr ähnlich, nämlich:
das Reich Gottes zu verkünden (predigen),
Kranke zu heilen und
Dämonen auszutreiben (vgl. Lk 9,1 – 2; Lk 10,9; Lk 10,17).
Beide Gruppen waren sozusagen Gesandte des Herrn.
Auch die gebotenen Verhaltensregeln für die beiden Mitarbeitergruppen des Herrn waren anfangs sehr ähnlich (sh. Lk 9,3 – 5; 10,4-8, 10-11).
Selbst die paarweise Aussendung der Angehörigen beider Gruppen (sh. Mk 6,6; Apg 10,1) ist bemerkenswert. Interessant ist dabei, dass Jesus keinen Apostel zusammen mit einem Jünger aus der Gruppe der 72 ausgesandt hat (damit sich z. B. der Geringere vor der Verkündigung den Segen eines Apostels einholen konnte - auch die Diakone unserer Zeit haben durch die Weihe die Vollmacht, das Evangelium zu verkünden ...).
Jesus gab jeder Gruppe zunächst die gleichen Aufträge (vgl. Lk 9,1-2; 10,1f) und ganz offensichtlich getrennt voneinander. Ungeachtet dessen gab es natürlich auch Situationen, bei denen Jesus beide Mitarbeitergruppen gemeinsam unterwies (z. B. Lk 24,33 ff).
Jesus hat somit der Gruppe mit den 72 anderen Jüngern aufgrund der zunächst gleichen Aufträge und Vollmachten auch Anteil am Dienst der Apostel gegeben; sie war aber den Aposteln offensichtlich nicht unterstellt, sondern wurde von Jesus direkt angewiesen (sh. Lk 10,1 – 2). Wären diese 72 anderen Jünger Jesu vom Herrn den Aposteln als Mitarbeiter zugeteilt worden, so wäre es zum einen bei der Versorgung der Witwen nach Jesus Tod nicht zu Problemen gekommen (Apg 6,1) und zum andern hätte es nicht der Einberufung der gesamten Jüngerschaft bedurft, um Mitarbeiter für die Apostel zu bestellen (Apg 6,2-3).
Im Gegensatz zu den Aposteln hat die Gruppe mit den zweiundsiebzig Jüngern von Jesus keine "Dienstbezeichnung" erhalten; jedenfalls berichtet das Lukas-Evangelium darüber nichts.
Bemerkenswert ist auch, dass die Apostel nicht alle Aufträge und Vollmachten bereits bei ihrer Erwählung erhalten haben.
Die Vollmacht, Kranke zu heilen und Besessene zu befreien erhielten die Apostel erst nach ihrer Erwählung (vgl. Mk 3,13f und 6,6b-13; Lk 6,12f u. 9,1f).
Auftrag und Vollmacht, das Abendmahl (Eucharistie) zu feiern, erhielten die Apostel erst vor Christi Tod (sh. Lk 22,10ff);
Auftrag und Vollmacht zur Vergebung der Sünden erhielten sie erst nach Jesu Auferstehung (vgl. Joh 20,19-23). Gemessen an der Erkenntnis mancher Gelehrter müsste man fragen, ob Gottes Sohn die Bestellung der zwölf Jünger zu Aposteln korrekt vorgenommen hat. Vor allem fehlt es an den ergänzenden "Weihen" für die zu unterschiedlichen Zeiten erteilten Vollmachten. Die Bezeichnung "Überapostel" (sh. Kor 11,5) stammt übrigens nicht vom Herrn sondern von Paulus und hat mit dessen Erwählung zum Apostel zu tun.
Jesus erwählte seine Apostel auch ohne Rücksicht auf den Familienstand. Er erwählte nicht nur unverheiratete Männer, denn es wird von der Heilung der Schwiegermutter des Apostels Petrus im Markusevangelium berichtet (sh. 1,29-31 aaO). Wer eine Schwiegermutter hat, muss wohl verheiratet sein. Ein zölibatäres Leben oder gar Jungfräulichkeit waren nicht Bedingung für die Berufung. Und trotzdem sagte Jesus zu Petrus: Du bist Petrus, der Fels und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen (sh. Mt 16,18). Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein (Mt 16,19). Nebenbei bemerkt: Dieses "Binden" und "Lösen" bezieht sich nicht auf die Ehe, denn Jesus sagt diesbezüglich: Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen (Mt 19,6). Das Binden und Lösen bezieht sich auf Sünde und Schuld. Wer es auf die Ehe bezieht, macht Gottes Sohn zum Quacksalber, der heute dies und morgen das Gegenteil behauptet.
Nach der Auferstehung des Herrn erhielt Petrus von Jesus den Auftrag: Weide meine Lämmer. Weide meine Schafe (vgl. Joh 21,15f ). Diesen Auftrag erhielten nicht die anderen Apostel, auch nicht Paulus. Sollte damit die Einheit sicher gestellt werden? - Einer entscheidet letztverantwortlich. Dieser Auftrag beinhaltet nicht nur das Recht sondern auch die Pflicht, alles innerhalb der Kirche so zu regeln, dass die Herde ans Ziel gelangt.
Mitarbeitergruppen der Kirche nach Jesu Himmelfahrt
Neben den elf bzw. zwölf Aposteln (sh. Apg 1,15-26) und den erwähnten zweiundsiebzig anderen Jüngern gab es auch noch weitere Apostel.
Der Apostel Paulus wurde in einer Vision vom Herrn zum Apostel berufen (Apg 9,1ff), um den Heiden das Evangelium zu verkünden (sh. Eph 3,8). Paulus kämpft trotzdem immer wieder um seine Anerkennung als Apostel und betont, dass auch er den Herrn gesehen hat (1Kor 9,1f). Er verweist darauf, dass das Evangelium, das er verkündet, nicht von Menschen stammt, sondern dass er es durch die Offenbarung Jesu Christi empfangen hat (vgl. Gal 1,11-12). Er sieht sich in allem den "Überaposteln" gleich (sh. 2Kor 11,5; 12,11). Er spricht von sich als Apostel mit Amt und Dienst (sh. Kol 1,24). Offenbar wurde in den Anfängen der Kirche die Bezeichnung "Apostel", was "Gesandter" bedeutet, von vielen Verkündern des Evangeliums benutzt, denn Paulus weist darauf hin: Das, woran man den Apostel erkennt, sind Zeichen, Wunder und machtvolle Taten (sh. 2Kor 11,12), was allerdings zum Problem für jene werden würde, die sich als Nachfolger der Apostel sehen. Paulus spricht sogar von "Lügenaposteln", die sich als Apostel tarnen (sh. 2Kor 11,13).
Paulus betont außerdem, dass er seinen Lebensunterhalt und den seiner Begleiter mit seiner Hände Arbeit verdient (vgl. Apg 20,34; sh auch 2 Thess 2,8-10) - "Apostel mit Zivilberuf".
Die Apostelgeschichte berichtet ferner vom Apostel Barnabas (sh. 14,14 aaO), der eigentlich Josef hieß, aber auch als Barsabas verzeichnet ist und zum Stamm Levi gehört hat. Er war mit Matthias Nachfolgekandidat für den ausgeschiedenen Judas Iskariot (vgl. Apg 1,23); einer von den Männern, die die ganze Zeit mit den zwölf Aposteln beisammen waren (Anm.: einer von den 72 Jüngern) als Jesus, der Herr, bei ihnen ein und aus ging, angefangen von der Taufe durch Johannes bis - Christi Himmelfahrt (sh. Apg 1,21f).
Ferner spricht Paulus im Brief an die Römer von den Aposteln Andronikus und Junia(s) (sh. 16,7 aaO), was nicht bedeuten muss, dass es sich um Apostel mit Amt und Dienst handelt. Auch heute werden (selbst bei Visionen) Laien, die sich durch ihre Treue zum Evangelium und ihren Eifer für das Reich Gottes auszeichnen, Apostel genannt. Bekannt ist, dass von einigen kirchlichen Persönlichkeiten Maria Magdalena sogar als Apostelin der Apostel genannt wird. Sollte es sich bei dem Namen "Junia(s)" um einen Frauennamen handeln, wie manche meinen, so ist es noch unwahrscheinlicher, dass Paulus hier von einer Apostelin mit Amt spricht, denn er schreibt im ersten Brief an Timotheus: Dass eine Frau lehrt, erlaube ich nicht (2,12 aaO).
Neben den Aposteln gab es auch Älteste und Diakone in den Anfängen der Kirche.
Älteste (griech.: presbuteros - woraus Presbyter geworden ist)
waren reife, meist verheiratete Männer, die einer christlichen Gemeinde vorstanden (sh. 1Tim 3,4.5; Tit 1,6). Sie haben der Gemeinde als geistliche Leiter und Aufseher (griech.: episkopos - woraus die Bezeichnung Bischof geworden ist) gedient (vgl. Tit 1,6-9). Paulus nannte die Ältesten auch Hirten und Aufseher/Bischöfe (sh. Apg 20,28). Sie waren nur für eine (1) Gemeinde zuständig. Auch Petrus bezeichnete die Ältesten als Hirten (vgl. Petr 1,2). Die Bedeutung dieser Ältesten-Bischöfe ist mit den Bischöfen unserer Zeit nicht identisch.
Paulus nennt in seinem Brief an Titus die Eignungskriterien für einen Ältesten und dessen Aufgaben (sh. Tit 1,6-9). Er legt u. a. auch Wert darauf, dass er ein guter Familienvater ist (sh. 1Tim 3,4 - bemerkenswert in Hinblick auf die Zölibats-Diskussion!).
In der Regel wurden für eine Stadt mehrere Älteste durch Apostel oder Bevollmächtigte eingesetzt. So kann man in der Apostelgeschichte lesen, dass Paulus und Timotheus in jeder Gemeinde durch Handauflegung Älteste bestellt haben (sh. 14,23 aaO). Titus bekam von Paulus den Auftrag, in jeder Stadt auf Kreta Älteste einzusetzen (sh. Tit 1,5). In der Apostelgeschichte ist auch zu lesen, dass Paulus alle Ältesten der Gemeinde Ephesus in Milet versammeln ließ (vgl. Apg 20,17). Sie berichtet ferner, von den Aposteln und den Ältesten der Gemeinde Jerusalem (sh. 15,2.4.6; 15,22 aaO).
Der Apostel Petrus bezeichnet aber auch sich selbst als Ältester, da er von Jesus, dem obersten Hirten (vgl. 1Petr 5,4), beauftragt worden ist, dessen Herde zu weiden (sh. Joh 21,15-17).
Die Bezeichnung "Älteste" findet man auch in verschiedenen Büchern des Alten Testaments (beginnend bei Ex 50,7; Num 11.16.17.24.25; 22,7; Ruth 4,1-12 etc.). Neben den Ältesten gab es im AT auch noch die Gruppe der Priester (vgl. 1Makk 7,33; Apg 6,7), die die heiligen Dienste verrichteten (sh. Hebr 9,6). Zur Zeit Davids gab es 24 Abteilungen der Priesterschaft, von denen jede einen Ältesten als Haupt oder Obersten hatte (sh. 1Chr 24,7-18). Die Ältesten hatten im AT ganz unterschiedliche Aufgaben. Paulus spricht bei seiner Rede im Tempelvorhof (in Jerusalem) vom Rat (Gremium) der Ältesten (sh. Apg 22,5). Zum Unterschied von den Ältesten der christlichen Gemeinde ist in der Apg die Rede von den "Ältesten der Söhne Israels" (5,21 aaO) oder von den "Ältesten der Juden" (25,15 aaO). Man hat bei den christlichen Gemeinden die Einrichtung "Älteste" übernommen.
Diakone
Im Gegensatz zu den Ältesten gibt es im AT keinen Hinweis auf die Existenz von "Diakonen" zur Unterstützung der Ältesten. Allerdings gab es Leviten, die den Kohanim (H. Priester) unterstützt und Tempeldienste oder andere Organisations-aufgaben übernommen haben. Sie hatten Vorrang vor den anderen Juden bei der Lesung (Verkündigung) der Tora, standen jedoch im Rang unter dem Kohanim. Sie assistierten dem Kohanim.
Vor dem 2. Vaticanum wurde der Diakon (deshalb) auch Levit genannt. Man hätte ihn auch Evangelist nennen können, wie dies die Apostelgeschichte bei Philippus tat (Apg 21,8). Die Aufgabe des Leviten im Gottesdienst war, die Epistel und das Evangelium zu verkünden und bei der feierlichen heiligen Messe (Hochamt) zu assistieren.
Paulus spricht von Diakonen und schreibt "an die Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, mit ihren Bischöfen und Diakonen" (sh. Phil 1,1). Daraus ist zu entnehmen, dass auch die Diakone eine gewisse Bedeutung in den entstandenen christlichen Gemeinden hatten, sonst würden sie von Paulus nicht eigens erwähnt worden sein.
Im 1. Brief an Timotheus nennt Paulus die Anforderungen an Diakone. Sie sollen u. a. achtbar und nicht gewinnsüchtig sein und mit reinem Gewissen am Glauben festhalten. Sie sind auf ihre Unbescholtenheit zu prüfen und dürfen nur einmal verheiratet sein. Sie müssen ihren Kindern und ihrer Familie gut vorstehen. Die Frau des Diakons soll ebenso ehrbar, zuverlässig und nicht verleumderisch sein. Er verspricht auch jenen, die ihren Dienst gut versehen einen hohen Rang (sh. 1Tim 3,8-13).
Die Ehe ist für Paulus offensichtlich kein Hindernis für höhere Dienste in der Kirche. Paulus nennt aber keine speziellen Aufgaben für Diakone. Aus der Biografie von Papst Fabian, der von 236 n. Chr. an Bischof von Rom war, geht hervor, dass er die Stadt Rom in sieben kirchliche Bezirke eingeteilt hat, deren Leitung sieben Diakonen übertragen worden ist. (Anm.: Eine Möglichkeit, die Pfarrer von heute zu entlasten, damit sie sich - wie die Apostel damals - mehr dem Dienst am Wort widmen und beim Gebet bleiben können - sh. Apg 6,4).
Die ersten sieben Mitarbeiter der Apostel (Apg 6,1ff) - (Diakone oder Evangelisten oder Leviten?)
Der Apostelschichte ist zu entnehmen, dass nach Jesu Himmelfahrt die Apostel die gesamte Schar der Jünger (incl. der Gruppe der 72) zusammenriefen, um sieben Männer auszuwählen, denen sie als (weitere) Aufgabe „den Dienst an den Tischen“ übertrugen, weil die Witwen der Hellenisten bei der täglichen Versorgung übersehen wurden im Gegensatz zu den Witwen der Hebräer (sh. 6,1-3 aaO)! – Eigentlich nur ein organisatorisches Problem, gäbe es nicht auch noch das Verhalten des Apostels Petrus gegenüber den Heidenchristen in Antiochia zu bedenken (sh. Gal 2,1-14)!
Aus der Apostelgeschichte geht auch hervor, dass man bei der Nachwahl für den ausgeschiedenen Apostel Judas Iskariot auf Folgendes Wert gelegt hat: "Einer von den Männern (Frauenpriestertum ...?), die die ganze Zeit mit uns (den Aposteln) zusammen waren, ... angefangen von der Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, an dem er (Jesus) ... in den Himmel aufgenommen wurde, - einer von diesen muss nun zusammen mit uns Zeuge seiner Auferstehung sein" (1,22 aaO). Dieses Kriterium erfüllte jeder der vom Herrn erwählten zweiundsiebzig anderen Jünger (vgl. Lk 10,1ff). Warum sollten die Apostel bei der Suche nach sieben geeigneten Mitarbeitern nicht auf diese Gruppe der anderen Jünger des Herrn zurückgreifen, waren doch diese Jünger aufgrund ihrer Berufung durch Jesus (hinsichtlich ihrer Eignung) bereits anerkannt? Schließlich legten die Apostel großen Wert darauf, dass diese "sieben Männer von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit" waren (sh. Apg 6,3) - Hinweis: Es ist von Männern die Rede (Diakoninnen ...?). Man darf wohl doch davon ausgehen, dass auch Jesus bei der Auswahl der zweiundsiebzig Männer Wert darauf gelegt hat, dass diese Männer "voll Geist und Weisheit" waren bzw. durch seine Erwählung wurden.
Die Apostel beteten und legten dann den erwählten sieben Männern die Hände auf (sh. Apg 6,6). Für manche wird diese Handauflegung als Weihe der sieben Männer zu (ersten) Diakonen gesehen, obwohl die Apostelgeschichte diese Männer nicht "Diakone" nennt, sondern an späterer Stelle Evangelisten (sh. Apg 21,8). Durch die Handauflegung der Apostel wird deutlich, dass diese sieben Jünger nun im Dienst der Apostel stehen und in deren Auftrag handeln. Sie dienten zunächst der einen Gemeinde (Jerusalem) mit (und unter) den Aposteln. Ob es zur Zeit der Beauftragung der Sieben bereits Älteste in der christlichen Gemeinde Jerusalem gab, geht aus der Apostelgeschichte nicht hervor; es sei denn, man bezieht Petrus aufgrund seiner eigenen Benennung (sh. 1Petr 5,4) mit ein. Hätte es zu dieser Zeit bereits Älteste dort gegeben, so hätten die Apostel mit großer Wahrscheinlichkeit auf jene zurückgegriffen.
Weihe der sieben Diakone durch Handauflegung ?
Waren die Apostel tatsächlich der Meinung, dass für den Service-Dienst an den Tischen eine Handauflegung im Sinne einer
Weihe notwendig war? Hat jemals ein Gastwirt neu eingestelltes Bedienungspersonal zu einem Bischof (Nachfolger der Apostel) oder auch nur zu einem Priester gebracht, damit dieser den Neuen die Hände für den Dienst an den Tischen auflegt? Oder hat man jemals gelesen, dass ein Gastwirt für das Servieren von Speisen und Getränken Personal sucht, das "voll Geist und Weisheit" ist?
Jesus legte auch Kindern im Beisein der Apostel die Hände auf (sh. Mk 10,16; Mt 19,13.15; Lk 18,15) und segnete sie. Auch Kranken legte der Herr die Hände auf und heilte sie (vgl. Mk 6,5).
Die Handauflegung ist also eine Segensgeste und kein Zeichen der Erwählung.
Als Saulus (Paulus) und Barnabas von Antiochia zur ersten Missionsreise aufbrachen (sh. Apg 13,4-14,29) wurden beiden nach dem Gottesdienst die Hände aufgelegt (vgl. Apg 13,4). Und in Ephesus legte Paulus zwölf Männern die Hände auf und der Heilige Geist kam auf sie herab und wirkte (sh. Apg 19,6-7).
Die zwölf Apostel taten, was sie vom Herrn sahen; sie beteten (um Gottes Hilfe) und legten den Sieben die Hände auf (segneten sie), denn es war eine bereits eskalierte Protestsituation wegen der Ungleichbehandlung der Witwen bei deren Versorgung zu meistern. Es ist in der Apostelgeschichte von einem „Aufbegehren der Hellenisten gegen die Hebräer“ die Rede, denn die Witwen der Hebräer wurden von ihnen mit Speisen und Getränken versorgt, während die Witwen der Hellenisten leer ausgingen. Es ging also um weit mehr als um den Dienst an den Tischen; es ging um die Wiederherstellung des Friedens in der christlichen Gemeinde Jerusalems wozu sich die Apostel ganz offensichtlich nicht in der Lage sahen. Dazu war "Geist und Weisheit" (Heiliger Geist) notwendig und weniger für das Servieren von Speisen und Getränken. Wie glaubwürdig ist die Frohbotschaft dort, wo kein Friede ist? Wie glaubwürdig sind die Verkünder des Reiches Gottes, wenn sie Streit und Unfrieden verursachen? Es ist daher viel weniger als die halbe Wahrheit, wenn in Gebeten bei der Diakonenweihe und in den Predigten "über die Berufung der ersten Diakone nur vom "Dienst an den Tischen" die Rede ist und man die eigentliche und wesentlich bedeutungsvollere Aufgabe, die Wiederherstellung des Friedens in der Gemeinde (mit Absicht?), unerwähnt lässt. Wie sehr man aber am Frieden in der Gemeinde interessiert war, zeigt auch die Tatsache, dass alle sieben "Diakone" griechische Namen tragen, also offensichtlich Hellenisten waren, die nicht nur die empörten Witwen der Hellenisten versorgt haben sondern auch die Witwen der Hebräer. Wollen denn die Nachfolger der Apostel nicht, dass auch dem einfachen Kirchenvolk bewusst wird, dass die Kirche von Anfang an ein Kirche von Menschen mit Stärken und Schwächen ist und welch große Hilfe diese sieben Männer für die Apostel waren? Sie waren "Friedensapostel" (von den Aposteln "Gesandte"), weil ihre Berufung dem Frieden diente. Dieser Dienst übersteigt das "körperliche" Dienen (servieren von Speisen und Getränken) in hohem Maß.
Die Handauflegung ist eine zeichenhafte Bitte um das gütige Wirken Gottes durch den Heiligen Geist an jenen, denen die Hände aufgelegt werden (sh. 2Tim 1,6-7).
Weitere Dienste der Sieben (Diakone)
Lukas berichtet in der Apostelgeschichte zwar von der Handauflegung der Apostel bei den sieben Männern (sh. 6,6 aaO), aber er schreibt nichts über deren Beauftragung und Bevollmächtigung (Weihe) das Reich Gottes zu verkünden (zu predigen), Kranke zu heilen, zu taufen, Besessene zu befreien etc. – nichts von all den Aufgaben, die Jesus den 72 anderen Jüngern übertragen hat und die er in seinem Evangelium bereits genannt hat (Lk 10,1ff). Aber die Apostelgeschichte berichtet sehr viel über das Predigen des Stephanus (sh. Apg 6,8 – 7,53), über seine Verkündigung des Wortes, was letztlich zu seiner Steinigung in Jerusalem geführt hat (sh. Apg 7,54 -60). Stephanus wird in der Apostelgeschichte als einer der sieben Mitarbeiter der Apostel genannt, die (von den Aposteln zunächst oder auch) „für den Dienst an den Tischen“ eingeteilt waren. Das Problem mit der Versorgung der Witwen der Hellenisten war aber offensichtlich beim Auftreten des Stephanus als Prediger bereits beseitigt, denn sonst hätte er sich nicht anderen Aufgaben (Dienst am Wort und dem Gebet) widmen können.
Zu den sieben Männern, denen die Apostel die Hände aufgelegt hatten, zählten ferner Philippus, Prochorus, Nikanor, Timon,
Parmenas und Nikolaus (Apg 6,5). Sie waren von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit (vgl. Apg 6,3).
Ferner berichtet die Apostelgeschichte, dass nach dem Tod des Stephanus Philippus (einer der Sieben) nach Samarien ging. Lukas schreibt: „Philippus aber kam in die Hauptstadt Samariens hinab und verkündigte dort Christus. Und die Menge achtete einmütig auf die Worte des Philippus; sie hörten zu und sahen die Wunder, die er tat. Denn aus vielen Besessenen fuhren unter
lautem Geschrei die unreinen Geister aus; auch viele Lahme und Krüppel wurden geheilt“ (sh. Apg 8,5-7). … Als sie jedoch dem Philippus Glauben schenkten, der das Evangelium vom Reich Gottes und vom Namen Jesu Christi verkündete, ließen sie sich taufen (sh. Apg 8,12). - Man erinnere sich der Vollmachten, die Jesus der Gruppe der zweiundsiebzig anderen Jünger erteilt hat (vgl. Lk 10,1ff). Die Vollmachten Kranke zu heilen und Besessene zu befreien dienten also ursprünglich auch der Verkündigung (dem Verkündigungserfolg). Nach erfolgreicher Verkündigung folgte die Taufe (sh. Apg 8,26-40).
Als die Apostel in Jerusalem hörten, dass Samarien durch Philippus, einer der Sieben, das Wort Gottes angenommen hatte, schickten sie auch Petrus und Johannes dort hin (sh. Apg 8,14).
Die Apostelgeschichte bezeichnet Philippus als Evangelisten. Dort steht: Am folgenden Tag kamen wir (Anm.: Paulus mit seinen Begleitern) nach Cäsarea. Wir gingen in das Haus des Evangelisten Philippus, der einer von den Sieben war (Anm.: die von den Aposteln zum Dienst an den Tischen verpflichtet worden sind), und blieben bei ihm. Er hatte vier Töchter, prophetisch begabte Jungfrauen (21,8-9 aaO). Die Bezeichnung "Evangelisten" (andere Übersetzung: Verkünder der Heilsbotschaft) für die Sieben lässt darauf schließen, dass jene zu den vom Herrn erwählten zweiundsiebzig anderen Jüngern gehörten, denn im Zuge der Handauflegung war von keinem weiteren Dienst (keiner weiteren Vollmacht) die Rede.
Interessant dürfte in diesem Zusammenhang noch sein, dass die Mystikerin, Maria Valtorta, in ihrem zwölfbändigen Werk "Der Gottmensch" (das ihre Visionen beinhaltet) Stephanus als einen, der von Jesus erwählten zweiundsiebzig anderen Jünger erwähnt.
Aufgaben und Vollmachten der ersten Diakone
Aus der Apostelgeschichte geht hervor, dass die Sieben (sh. Apg 6,3)
in der Gemeinde Jerusalem sowohl Aufgaben der Apostel (den Dienst an den Tischen - vgl. Apg 6,2)
als auch dort Aufgaben der Ältesten (Aufseher) übernommen haben, indem sie sich
für den Frieden in der Gemeinde engagiert haben (Apg 6,1).
Sie haben dort auch das Reich Gottes verkündet (sh. Apg 6,8 - 7,60).
Sie verkündeten aber auch in anderen Orten das Evangelium (sh. Apg 8,5f) und
tauften jene, die sich zu Christus bekehrt haben (sh. Apg 8,26).
Sie befreiten Besessene und
heilten Kranke (vgl. Apg 8,7).
Allein der Apostel Paulus geht auf die Person des "Diakons" ein, ohne wie erwähnt, seine Aufgaben zu beschreiben. Diese Tatsache, dass Paulus den Aufgabenbereich der Diakone nicht näher beschreibt, lässt vermuten, dass die Diakone überall eingesetzt worden sind, wo man Helfer gebraucht hat. Von ihm dürfte auch diese Mitarbeiterbezeichnung "Diakon" stammen. Das Wort Diakon kommt vom griechischen Wort "diakonoi". Der Apostel Paulus stammt aus Tarsus, das mehr als zweihundert Jahre (bis zur Besetzung durch die Römer) unter griechischem Einfluss war. Das Wort "diakonoi" kann man auch mit "Helfer" oder "Gesandter" übersetzen. Die Übersetzung mit "Diener" ist aber offensichtlich bei manchen beliebter. (Anm.: Sind deshalb manche Frauen an der Priesterweihe mehr interessiert als am Dienst des Diakons?) Würde die Bezeichnung "Diakon" eine Erfindung der Zwölf sein, so würde dies in der Apg 6,1f aaO erwähnt worden sein. - Zum Zeitpunkt der Erwählung der Sieben hat Paulus die Christen noch verfolgt (sh. Apg 7,54 - 8,1 - Steinigung des Stephanus, einer der Sieben), sodass seine Überlegungen hinsichtlich der Diakone bei der Erwählung der sieben Helfer den Apostel noch nicht bekannt waren.
Die ersten sieben Diakone in Jerusalem dürften wohl die Sieben ("Evangelisten") sein (sh. Apg 6,1i. Verb. m. Apg 21,8).
Da die Diakone Mitarbeiter der Apostel wie auch der Ältesten waren, ist es auch verständlich, wenn Paulus (später) entsprechende Anforderung auch für die Diakone nennt (sh. Tim 3,8-13). Ihr Aufgabenbereich richtete sich wie die Apostelgeschichte zeigt nach deren Notwendigkeit. Die Veränderung von Dienst und Amt sowie der Dienstbezeichnung sind in den Anfängen der Kirche nichts Ungewöhnliches. So hat sich bereits der Aufgabenbereich der zwölf Apostel wie schon erwähnt öfters geändert. Waren jene Zwölf deshalb zu irgendeiner Zeit keine richtigen Apostel? Oder waren sie nach erteilter Vollmacht zur Vergebung der Sünden "mehr" als nur Apostel? Auch die (Ältesten-)Bischöfe des Anfangs hatten wie schon erwähnt nicht die Bedeutung der Bischöfe von heute.
Durch die "Handauflegung" der Apostel wurden die Sieben zwar zu Mitarbeiter der Apostel, zu "Diakonen" der Apostel, ihre von Jesus empfangenen Vollmachten (sh. Lk 10,1 ff) sind aber dadurch nicht verloren gegangen. So ist auch verständlich. wenn nicht von weiteren Handauflegungen durch die Apostel für die anderen Dienste dieser Diakone in der Apostelgeschichte die Rede ist.
Wenn aber der Apostel Petrus sagt, dass er (für die ihm anvertraute Herde Christi ) ein Ältester ist (sh. 1Petr 5,4), dann sind allerdings die zweiundsiebzig anderen Jünger des Herrn (vgl. Lk 10,1.9.17-19) aufgrund deren Aufgabenbereich bereits die ersten Diakone.
Aus dem Buch für die Taufliturgie von Kindern:
"Ohne Verkündigung gibt es keinen Glauben und ohne Glauben keine Sakramente."
An vorderster Stelle steht also die Verkündigung als die wichtigste Aufgabe. Hat Jesus deshalb 72 andere Jünger berufen und nur zwölf Apostel? Ihm ging es um die Ausbreitung des Glaubens und nicht um die Einführung und Verteilung von Ämtern oder um die Befriedigung (...) seiner Mitarbeiter (sh. Mk 10,35-41). Jesu letzter Auftrag vor seiner Himmelfahrt für seine Jünger war nicht: "Tut dies zu meinem Gedächtnis" (Lk 22,19), sondern: "Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen" (sh. Mk 16,15), ferner: "Macht alle Menschen zu meinen Jüngern" (vgl. Mt 28,19-20). Es genügt also nicht, täglich die Eucharistie zu feiern und dabei den Treuen das Evangelium zu verkünden. Jesus wollte offensichtlich keine theologisch gebildete Konkursverwalter sondern mutige Gemeindemissionare denen er seine Unterstützung zugesagt hat.
Abschließende Bemerkung:
Es ist auch interessant wie manche "Forscher" sich um die Definition von Wort und Dienst des Diakons "mühen", um mit Hilfe von Aussagen von Kirchenmännern vergangener Jahrhunderte zu dem Ergebnis zu gelangen, das letztlich schon vor Beginn ihrer Arbeit gewollt war. Ich verweise hierzu auch auf meinen Beitrag zur Krankensalbung auf dieser Website (www.meine-gliebte-kirche.com/krankensalbung). Ich denke aber, man sollte sich in erster Linie an den Vorgaben Jesu Christi, dem Haupt der Kirche, orientieren und weniger an den Aussagen von Menschen, deren wahren Absichten oft verborgen sind.
Johannes Baptista
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